Tiefe Hirnstimulation kann bei Patienten Verbesserungen bei Mobilität und Lebensqualität erreichen.- DGNC 2019 Kongressbericht

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Tiefen Hirnstimulation (THS) bei Neuro-degenerativen Erkrankungen wurden auf der 70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) in Würzburg vorgestellt. Das Thema hieß „Herausforderungen und Chancen aus neurochirurgischer Sicht“. „Bei einer Vielzahl der Patienten sind die Wirkungsdauer und die Gleichmäßigkeit der Wirkung nach einigen Therapiejahren nicht mehr zuverlässig gegeben oder mit so ausgeprägten Nebenwirkungen verbunden, dass die Handlungsfähigkeit auch für einfache tägliche Abläufe und die Planbarkeit ihres Tagesprogramms stark gestört und teilweise unmöglich sind“, so Prof. Dr. med. Cordula Matthies, Neurochirurgische Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg.

Für diese Patienten könne die Tiefe Hirnstimulation (THS) enorme Verbesserungen ihrer kontinuierlichen Mobilität und Lebensqualität erreichen - zumal das Operationsverfahren in den letzten 10 Jahren soweit verfeinert werden konnte, dass gravierende Risiken wie Hirnblutungen oder Infektionen immer weniger wahrscheinlich geworden sind. Außerdem wurden die Konfiguration der Hirnelektroden und die Technologie der Hirnstimulatoren wesentlich weiterentwickelt, sodass die Erkrankungsregionen für den Einzelnen mit individuell angepassten Stimulationsprogrammen beeinflusst und Nebenwirkungen reduziert werden können.

„In vielerlei Hinsicht stehen wir am Beginn weiterer positiver Entwicklungen dieser Therapiemethode“, betont Prof. Matthies. Eine wichtige Aufgabe bestehe in der Identifizierung der individuellen funktionellen Anatomie des einzelnen Patienten, um ein individuell geformtes elektrisches Feld an der am besten geeigneten Stelle im Gehirn zu applizieren. Mit Hilfe einer dreidimensionalen Kartierung der Stimulationseffekte durch die kombinierte Analyse der Hirnschnittbilder in der Kernspintomographie und der Stimulationsverfahren sei es bereits teilweise gelungen, die bisherigen Patientendaten so auszuwerten, dass unter Anwendung mathematischer und physikalischer Modelle Rückschlüsse auf positive oder negative beeinflussende Stimulationsorte gezogen werden konnten, um sie dann von der Gesamtheit der Patienten auf den einzelnen zu operierenden Patienten zu übertragen.

Eine weitere Aufgabe und große Chance liege in der technologischen Weiterentwicklung der Elektroden und der Stimulationsmuster, von denen günstigere Wirkweisen der Stimulation im Gehirn zu erwarten sind. „Die Erkenntnisse aus den bisherigen Untersuchungen weisen darauf hin, dass die jeweilige Erkrankung nicht auf einen einzelnen Punkt im Gehirn begrenzt ist, sondern Ausdruck eines gestörten Regelwerks verschiedener Netzwerke ist“, so Prof. Matthies. „Ein Fernziel bleibt dabei, neben der Beeinflussung der aktuellen Beweglichkeit des Patienten auch einen Effekt auf den Krankheitsverlauf anzustreben. Dies kann nur gelingen, wenn wir durch die Mitarbeit der von uns operierten Patienten noch bessere Einsicht in die Funktionsweise der Hirn-Netzwerke gewinnen, die mit motorischen, emotionalen und kognitiven Anteilen an der Entstehung und Ausführung einer motorischen Bewegung beteiligt sind.“

Neben der interdisziplinären Würzburger Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Neurochirurgie, Neurologie, Psychiatrie und Neuroradiologie beschäftigen sich auch weitere Zentren intensiv mit der Frage, inwieweit durch THS Patienten bei weiteren Erkrankungen entscheidend geholfen werden kann. „Die eindrücklichen Erfolge bei Patienten mit Bewegungsstörungen haben Forscher und Kliniker ermutigt, das Therapieverfahren einerseits auch bei psychiatrischen Störungen wie Depressionen und Zwangserkrankungen sowie andererseits auch bei Einschränkungen der Hirnleistungsfähigkeit mit Demenz-Entwicklung einzusetzen“, resümiert Prof. Matthies. Im sehr frühen Stadium bestimmter Demenz-Formen könnte durch THS möglicherweise das Voranschreiten der Krankheit aufgehalten werden: „Hierfür sprechen erste Ergebnisse sowohl von Studien der Arbeitsgruppe von Prof. Andres Lozano, Toronto, mit THS bei Alzheimer, als auch unserer Studie hier in Würzburg bei Patienten mit Parkinson-Demenz.“ Die Untersuchung aller Auswirkungen der Therapie im Rahmen kontrollierter Studien sei dabei die Grundlage für das Gewinnen neuer Erkenntnisse und Schlussfolgerungen, was medizinisch und ethisch hilfreich und sinnvoll sein kann.

DGNC-Tagung 2019

Die 70. JAHRESTAGUNG der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) e. V. mit Joint Meeting mit der Skandinavischen Gesellschaft für Neurochirurgie, lief vom 12. bis 15. Mai 2019 in Würzburg.

Text: Kerstin Aldenhoff

(map)
Zurück zur Startseite
Weitere Newsmeldungen
    • ANIM 2024 - 41. Jahrestagung der DGNI und DSG in Kassel
      Die 41. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), die ANIM 2024 – die Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin findet vom 01.–03. Februar 2024 in Kassel statt. Seit jeher steht die ANIM für eine enge Verzahnung ...
      Mehr
    • DGN-Kongress 2023 – Programmübersicht ist online
      Der 96. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wird vom 8. bis 11. November 2023 in Berlin statt. Die Veranstaltung ist live vor Ort im CityCube Berlin und online per Livestream. Es ist jetzt die erste Möglichkeit, schon vorab einen Blick auf das spannende DGN-Kongressprogramm zu w...
      Mehr
    • 7. BMVZ PRAKTIKERKONGRESS 2023 am 22. September 2023 in Berlin
      Der diesjährige 7. BMVZ PRAKTIKERKONGRESS ist ein Fachkongress für die ambulant-kooperative Versorgung, der im dbb forum berlin statt findet. Thematisch erwartet die Besucher ein breites Spektrum rund um die vier bekannten Hauptkoordinaten des MVZ-Betriebs: S wie Strategie | W wie Wirtschaftlichkeit...
      Mehr
    • 35. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) 2023 in Frankfurt am Main
      Vom 14. bis 16. September 2023 findet in Frankfurt/Main der 35. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie statt. Das Kongressthema für 2023 lautet: Geriatrie = e³ - Evidenz, Empirie und Empathie. Tagungspräsident ist Professor Dr. med.univ. Markus Gosch, Paracelsus Medizinische Privatu...
      Mehr
Zum Archiv

Quellen-URL (abgerufen am 29.03.2024 - 14:35): http://www.neuromedizin.de/National/Tiefe-Hirnstimulation-kann-bei-Patienten-Verbesserungen-bei-.htm
Copyright © 2014 | http://www.neuromedizin.de ist ein Dienst der MedienCompany GmbH. | Medizin-Medienverlag | Amselweg 2, 83229 Aschau i. Chiemgau | Geschäftsführer: Beate Döring | Amtsgericht Traunstein | HRB 19711 | USt-IdNr.: DE 223237239