Wird an einem Tag aus organisatorischen Gründen von der Arztpraxis auf einen späteren Termin verwiesen, so kann die gesetzliche Krankenkasse die weitere Zahlung von Krankengeld nicht mit dem Argument verweigern, die Arbeitsunfähigkeit sei nicht lückenlos festgestellt worden. Nach Auffassung des Senats des Landessozialgericht Hessen hat die Klägerin unter Berücksichtigung der Gesamtumstände damit alles in ihrer Macht Stehende und ihre Zumutbarkeit getan, um rechtzeitig in den anspruchserhaltenden zeitlichen Grenzen eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erreichen. Das Nichtzustandekommen eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts in der Praxis am Montag, den 19. März 2018 ist nicht ihr, sondern vielmehr der Sphäre des Vertragsarztes und schließlich auch der Krankenkasse zuzurechnen. ARAG-Experten verweisen auf das aktuelle Urteil des Landessozialgericht Hessen.
Auszug aus dem LSG-Urteil:
"Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die missverständliche Fassung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (§ 5 Abs. 3 AU-Richtlinie) den Vertragsärzten ausdrücklich eine zeitlich begrenzte Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erlaubt. Entsprechend hervorgerufene bzw. aufrechterhaltene Fehlvorstellungen bei Vertragsärzten über deshalb auch vermeintlich den Versicherten in ihrem Verhältnis zu deren Krankenkassen unschädliche leistungsrechtliche Folgen rückwirkender Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen sind den Krankenkassen als maßgebliche Akteure im Gemeinsamen Bundesausschuss und Anspruchsgegner der Krankengeldansprüche Versicherter zuzurechnen (vgl. BSG a.a.O. Rn.28, juris unter Verweis auf BSG, Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 22/15 R). Ein insoweit schuldhaftes Verhalten des Vertragsarztes ist - entgegen Auffassung der Beklagten - nicht zu verlangen.
Die durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. März 2020 (B 3 KR 9/19 R) fortentwickelte Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats auch nicht auf die Fälle beschränkt, in welchen der Arzt oder das Praxispersonal einen bereits vereinbarten Termin in noch anspruchserhaltender Zeit aus terminlichen oder sonstigen Gründen absagt und einen neuen Termin nach Ende der anspruchserhaltenden Zeit vereinbart. Das Bundessozialgericht spricht insoweit von "insbesondere" bzw. "typischerweise" (BSG, a.a.O. Rn. 23, juris). Diese Formulierungen machen deutlich, dass auch andere Fallkonstellationen geben kann, in welchen der Krankenkasse ein (fehlerhaftes) Arztverhalten den Krankenkassen zuzurechnen ist."
Die LSG-Richter sehen daher keine Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG.
Quellen: LifePR/ Landessozialgericht Hessen