Neu entwickelte Bildgebungsmethode legt die Grundlage für genaue Eins-zu-eins-Hirnkartierung von Zellen und Funktionen

Mit einer neu entwickelten Bildgebungsmethode legt ein chinesisches-deutsches Forscherteam die Grundlage für eine genaue Eins-zu-eins-Kartierung von Zellen und Funktionen. An der Entwicklung ist auch Dr. Hongbo Jia beteiligt, der den in vivo-Mikroskopiebereich am Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) Magdeburg leitet. In der menschlichen Großhirnrinde gibt es schätzungsweise 16 Milliarden und im Gehirn einer Maus etwa 70 Millionen Nervenzellen. Diese verarbeiten in großen neuronalen Netzwerken unsere Sinneswahrnehmungen und steuern unser Verhalten. Einzelne Nervenzellen übernehmen dabei die Aufgabe, Informationen von einem Neuron zum nächsten weiterzuleiten, Signale zu verstärken oder zu dämpfen oder verschiedene Netzwerke zu verknüpfen. Die Neuronen haben verästelte Dendriten, die die Signale von anderen Zellen empfangen und verrechnen, und ein langes Axon, das die Erregung zu den nachgeschalteten Nervenzellen weiterleitet. Aus der Verknüpfung entstehen hoch komplexe und enorm plastische funktionelle Verbünde.

Co-Studienleiter Dr. Hongbo Jia erklärt das Problem: „Selbst innerhalb von kleinen Hirnregionen weisen die Neuronen oft eine außerordentliche funktionelle Vielfalt auf und sind räumlich miteinander verwoben. Das macht es bisher unmöglich, Struktur und Funktion auf Einzelzellebene exakt zuordnen zu können.“ Das Forscherteam aus China und Deutschland hat für dieses Problem eine Lösung gefunden und eine neue, präzise Methode entwickelt, um einzelne funktionell aktive Nervenzellen im Gehirn zu identifizieren. Dazu wurden bei Labormäusen, die verschiedene Töne hörten, die an der Tonverarbeitung beteiligten Nervenzellen durch Zwei-Photonen-Calcium-Bildgebung identifiziert, und zwar spezifisch für unterschiedliche Tonfrequenzen. Die gerade aktiven Neuronen wurden durch gezielte Plasmid-Einschleusung mit einem grün leuchtenden Protein markiert. Um auch die weit reichenden und sehr dünnen Axone der aktiven Nervenzellen nachverfolgen zu können, wurde zusätzlich mittels eines nicht pathogenen Virus eine membrangebundene Variante des grünen fluoreszierenden Proteins transfiziert, die die Zelloberflächen sichtbar macht.

Bild

BU: Zwei beim Tonhören gleichzeitig aktive Nervenzellen verarbeiten die Information sehr unterschiedlich. Während die blau dargestellte Zelle die Erregung bis in die andere Hirnhälfte leitet, verschaltet sich die orange Zelle nur in ihrer direkten Umgebung. Bild: © Hongbo Jia, LIN

Mit der 2-SPARSE-genannten Methode ist eine präzise Eins-zu-eins-Kartierung der neuronalen Projektionsmuster und physiologischen Funktionsmerkmale möglich. „Für die 2-SPARSE-Methode sind in den meisten Labors weder neue Instrumente oder Reagenzien erforderlich, sondern lediglich eine Schulung, wie die vorhandene Methodik kombiniert werden kann“, so Mikroskopie-Experte Jia.

Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass die Technologie zukünftig zu Durchbrüchen in der Erforschung der Konnektoms, also der vollständigen Aufklärung der Verbindungen zwischen den Nervenzellen des Gehirns, führen könnte, und damit Wechselwirkungen von Hirnregionen und deren Veränderungen im kranken Gehirn erfassbar macht.

Originalarbeit: Brain-wide projection reconstruction of single functionally defined neurons.

Quelle: Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN)

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