Forschergruppe entdeckt potenziellen Ansatzpunkt für neue, spezifische MS-Therapien

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Gehirns und des Rückenmarks, von der weltweit über zwei Millionen Menschen betroffen sind. In einer internationalen Studie, die jetzt im renommierten Nature, unter der Beteiligung der Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim, der University of Cambridge und der University of California in San Francisco, veröffentlicht wurde, nutzten die Forscher Gehirnproben von verstorbenen MS-Patienten, um an diesen Proben eine Vielzahl von verschiedenen Zelltypen zu studieren, von denen vermutet wird, dass sie eine Rolle bei der Multiplen Sklerose (MS) spielen. Ihre an diesen Gehirnproben gewonnenen Ergebnisse verglichen sie mit denen von Menschen ohne MS.

Projektionsneurone spielen zentrale Rolle bei den Gehirnveränderungen

Die Wissenschaftler haben entdeckt, dass bestimmte Zellen im Gehirn, die als „Projektionsneurone“ bezeichnet werden, eine zentrale Rolle bei den Gehirnveränderungen spielen, die mit der Multiplen Sklerose (MS) einhergehen. Die neuen Forschungsergebnisse zeigen nun, dass solche Projektionsneurone durch körpereigene Immunzellen geschädigt werden und diese Schädigung die mit der MS verbundene Schrumpfung des Gehirns wie auch damit einhergehende kognitive Veränderungen unterstützen könnte. Die neuen Erkenntnisse bieten interessante Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer, spezifischer Therapien für die Multiple Sklerose, die auf geschädigte Gehirnzellen abzielen.

MRT-Aufnahmen

BU: MRT-Aufnahmen des Gehirns eines MS-Patienten (A) und einer Kontrollperson (B), zur Veranschaulichung, wie sich die Erkrankung im Gehirn manifestiert: In (A) sichtbar die für die MS typischen weißen Läsionen nahe der Großhirnrinde sowie der Schwund (Atrophie) des Gehirns.
Foto: Achim Gass (UMM)

Neue Methode - das Single-Nuclei RNA-Sequencing

"Wir wollten verstehen, warum einige Zellen anfälliger für Schäden bei der MS sind als andere und setzten dafür eine neue Methode, das Single-Nuclei RNA-Sequencing, ein. Wir können damit die genetische Ausstattung einzelner Gehirnzellen untersuchen", führt Privatdozent Dr. Lucas Schirmer, leitender Wissenschaftler an der Neurologischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) zu diesem Projekt, aus. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die als Projektionsneuronen bezeichneten Nervenzellen besonders anfällig für Schäden im Gehirn von MS-Patienten sind. Projektionsneurone sind bei gesunden Menschen an der Informationsvermittlung zwischen verschiedenen Bereichen des Gehirns beteiligt. Es scheint daher wahrscheinlich, dass die Schädigung dieser Zellen die kognitiven Fähigkeiten bei MS-Patienten beeinträchtigen kann. Darüber hinaus erklärt der Verlust dieser bestimmten Zelltypen auch, warum das Gehirn von MS-Patienten mit der Zeit schrumpft – je mehr Zellen beschädigt werden und verloren gehen, desto weniger Platz nimmt das Gehirn ein" erläutert Dr. Schirmer weiter."

Die Forscher konnten außerdem zeigen, dass Immunzellen im Gehirn von MS-Patienten auf Projektionsneuronen abzielten und die Zellen dabei stressten und schädigten. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Zelltherapien, die auf die Immunzellen abzielen, Projektionsneurone schützen und damit eine neuartige Behandlung für die progressive MS darstellen könnten“, sagt Professor David Rowitch, leitender Wissenschaftler an der University of Cambridge, der die Forschung koordiniert hat.

Dr. Dmitry Velmeshev und Professor Arnold Kriegstein von der University of California in San Francisco haben gemeinsam die Techniken entwickelt, mit denen der genetische Code in den einzelnen Gehirnzellen analysiert werden kann. "Diese neuen Techniken haben eine breite Anwendbarkeit für das Verständnis von neurologischen Entwicklungsstörungen und neurologischen Erkrankungen des Menschen", sagt Professor Arnold Kriegstein.

Die Studienergebnisse sind ein potenzieller Ansatzpunkt für neue, spezifische MS-Therapien.

Video-Statement

Ein Video-Statement des Erstautors PD Dr. Schirmer zur Studie finden Sie auf Youtube.

Originalpublikation

Neuronale Vulnerabilität und Multilineage Diversity bei Multipler Sklerose, Nature 2019

Quelle: PI UMM, Autorin: Dr. Eva Maria Wellnitz

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