Arzneitherapie für seltene Form genetisch bedingter Epilepsie erforscht

Betroffene der genetisch bedingten Epilepsie leiden bereits im ersten Lebensjahr an schweren epileptischen Anfällen. Ursache für die frühkindliche Epilepsie ist ein seltener Gendefekt. Hier führen Mutationen im KCNA2-Gen zu geschädigten Kaliumkanälen im Gehirn, die eine gesteigerte Aktivität der Kaliumkanäle auslösen. Die Erkrankung geht mit schweren Entwicklungsstörungen einher. Da es sich um eine sehr seltene Krankheit handelt, weltweit sind rund 50 Fälle bekannt, gibt es bisher keine eine passende medikamentöse Therapie.

Behandlung mit Multiple-Sklerose-Medikament

Ein Forscherteam der Universität Tübingen setzte nun erstmals zur Behandlung ein Medikament ein, das für die Indikation Multiple Sklerose zugelassen ist. Der in dem Medikament enthaltene Wirkstoff 4-Aminopyridin hemmt die Überaktivität der Kaliumkanäle. Behandelt wurden in Kooperation mit acht weiteren Zentren weltweit 11 Patientinnen und Patienten in individuellen Heilversuchen mit dem Arzneimittel mit einem erfolgversprechenden Ergebnis. Der Wirkstoff wirkt dem zugrunde liegenden Gendefekt direkt entgegen und linderte erfolgreich die Symptome der Erkrankten. Die Anzahl der täglichen epileptischen Anfälle reduzierte sich oder sie verschwanden komplett. Für die betroffenen Kindern und Erwachsenen steht somit zum ersten Mal eine medikamentöse Behandlung zur Verfügung

Wirkstoff wirkt nicht bei allen Unterformen

Da der Wirkstoff nicht bei allen Unterformen der Erkrankung wirkt, haben die ExpertInnen eine Datenbank erstellt, in der die verschiedenen Mutationen aus der KCNA-Genfamilie aufgelistet sind.

Auszeichnung

Für die Durchführung des Projekts wurde das Forschungsteam um Dr. Ulrike Hedrich-Klimosch, Dr. Stephan Lauxmann und Prof. Dr. Holger Lerche vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, dem Universitätsklinikum und der Universität Tübingen mit dem Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen 2018 ausgezeichnet.

Förderung

Die Studie wurde durch die Forschungsgruppe FOR-2715 der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem Thema „Epileptogenese genetischer Epilepsien“ und dem Forschungsnetzwerk für seltene Ionenkanalerkrankungen („Treat-ION“) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. 

Quelle: PI Universitätsklinikum Tübingen, 2.9.2021

Originalpublikation: 4-Aminopyridine is a promising treatment option for patients with gain-of-function KCNA2-encephalopathy.

(bd)
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