Nervenzellen und viele andere Zellen des menschlichen Körpers haben so genannte Chlorid-Kanäle. Über diese werden negativ geladene Chlorid-Ionen (Cl-) zwischen der Zelle und ihrer Umgebung ausgetauscht. Wissenschaftler vermuten, dass die Erregbarkeit von Nervenzellen sinkt, wenn sie durch die Chlorid-Kanäle die Ionen verlieren oder andersherum ihre Erregbarkeit steigt, wenn die Chlorid-Kanäle fehlen. Bei einer Epilepsie-Erkrankung liegt auch eine Übererregbarkeit von Nervenzellen vor. Jetzt könnte man logischerweise glauben, dass bei einem Fehlen oder Defekt der Chlorid-Kanäle auch vermehrt epileptische Anfälle auftreten. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried zufolge ist dies offenbar jedoch nicht der Fall. So hätten Versuche mit Mäusen, deren Nervenzellen durch einen Gendefekt keine Chlorid-Kanäle haben, gezeigt, dass diese Tiere nicht häufiger an Epilepsie erkranken als gesunde Mäuse. Die Experten machten aber vor Kurzem eine Entdeckung: Sie konnten zeigen, warum es zu keinen epileptischen Anfällen kommt, auch wenn die so genannten Chlorid-Kanäle "CIC-2" fehlen. Letzteres ist z. B. der Fall, wenn ein "CIC-2"-Gendefekt vorliegt. Aufgrund ihrer Untersuchungen glauben die Forscher nun, dass ein defektes "ClC-2"-Gen allein zwar keine Epilepsie auslöst, im Zusammenhang mit anderen Faktoren aber die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Epilepsie zu erkranken. Dr. Valentin Stein, Max-Planck-Forschungsgruppe Synaptische Rezeptoren, Martinsried, interessiert aber auch noch eine weitere Überlegung: "Wenn eine Nervenzelle ihre Erregbarkeit über das Öffnen oder Schließen der ClC-2 Kanäle steuern kann, dann könnte sie im Grunde mit entscheiden, ob sie Informationen einer Nachbarzelle weiterleitet oder nicht." Hierzu Beweise zu liefern, ist Aufgabe der zukünftigen Hirnforschung.