Bei einigen Patienten mit einer schweren Alkoholabhängigkeit ist unter anderem ein aggressives, zu Gewalttätigkeiten neigendes und antisoziales Verhalten zu beobachten. Die biologische Basis dieser Auffälligkeiten ist bislang jedoch nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftlern der Abteilung für Psychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität München zufolge deuten jedoch die Ergebnisse mehrerer Studien und aktueller Metaanalysen darauf hin, dass bei einer anderen psychiatrischen Erkrankung, nämlich der Schizophrenie, der sogenannte COMT Val158Met-Genotyp mit dem Auftreten von Aggressionen assoziiert ist. Das Gen der Catechol-O-Methyltransferase (COMT), ein Enzym des Katecholamin-Stoffwechsels, ist auf dem langen Arm des Chromosoms 22 lokalisiert. Ein spezifischer SNP (= single nucleotide polymorphism) im COMT-Gen hat einen Aminosäureaustausch von Valin (val) zu Methionin (met) zur Folge, welches letztendlich zu einer verringerten Verfügbarkeit von Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin führt. Auf Basis dieser Erkenntnisse untersuchten die Münchener Forscher in einer Studie mit 293 deutschen, in stationärer Entzugsbehandlung befindlichen alkoholabhängigen Patienten nun die Hypothese, dass der COMT Val158Met-Polymorphismus das Risiko für ein Auftreten von Aggressionen bei Alkoholabhängigkeit erhöht. Weitere Studienteilnehmer waren 499 gesunde Kontrollpersonen und als Replikationsstichprobe zusätzlich 190 polnische alkoholabhängige Patienten. Wie von den Wissenschaftlern bereits erwartet, waren alkoholabhängige Patienten, die in der Vergangenheit bereits wegen eines gewalttätigen oder nicht-gewalttätigen Verbrechens auffällig geworden waren, öfter männlich und wiesen eine früheren Beginn des Alkoholismus auf als die übrigen Studienteilnehmer. Zudem zeigten sie häufiger Entzugsanfälle sowie ein Delirium tremens. Auch war bei ihnen die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie bereits einen Selbstmordversuch unternommen hatten. Eine Assoziation zwischen dem COMT Val158Met-Genotyp und einem (gewalttätigen) Verbrechen in der Vorgeschichte war hingegen nicht zu finden. Nach Meinung der Experten sollten weitere Studien durchgeführt werden, um die neurobiologische Basis von Aggressionen und Gewalt bei Alkoholabhängigkeit zu erforschen.