Sauerstoff ohne Radioaktivität zeigt Gehirntumorzellen im MRT

Der deutsche Arzt und Biochemiker Otto Heinrich Warburg hatte bereits in den 1920er Jahren erkannt, dass sich Tumorzellen in ihrem Stoffwechsel deutlich von gesundem Gewebe unterscheiden. Nach dessen Beobachtungen häuft sich in Tumorzellen Milchsäure an. Dieses Stoffwechselprodukt ist das Ergebnis des anaeroben, also sauerstofffreien Stoffwechsels, den die Krebszellen bevorzugen – auch dann, wenn ihnen ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht. Bekannt wurde dieses Phänomen unter dem Namen Warburg-Effekt. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungsinstitut (DKFZ) in Heidelberg sind nun der Frage nachgegangen, ob sich diese Besonderheit im Magnetresonanztomografen (MRT) sichtbar machen lässt. Für ihre Untersuchungen wurde von den DKFZ-Forschern um den Arzt- und Physiker Daniel Paech und seinen Kollegen Sebastian Niesporek eine neue Technik entwickelt, um mit Hilfe von Sauerstoff Gehirntumoren im MRT besser zu erkennen. Mit dem neuen Verfahren wurden dann 10 Probanden, bei denen ein Gehirntumor diagnostiziert worden war, untersucht. „Das Ergebnis war wirklich eindrücklich: Die Tumoren erschienen im Bild als dunkle Flecken, weil hier kein Stoffwechsel mit Sauerstoff stattfand", schildert Paech. „Uns hat überrascht, dass dies sowohl bei höhergradigen aggressiven Tumoren als auch bei weniger aggressiven niedriggradigen Tumoren der Fall war." Bislang war nicht klar, ob der Warburg-Effekt auch bei niedriggradigen Hirntumoren gleichermaßen eine Rolle spielt.

Tumorareal

BU: Die rote Linie markiert das Tumorareal; der farbige Kontrast zeigt den Sauerstoff-Stoffwechsel an. Wie vom Warburg-Theorem vorhergesagt, ist der Sauerstoff-Umsatz im Tumor reduziert (blau). Quelle: Paech / Radiology

Für die neue Technik verwenden die Wissenschaftler eine stabile, nicht radioaktive Variante des Sauerstoffs 17O2, die in geringen Mengen auch in der Atemluft vorkommt. Die Probanden atmen diesen besonderen Sauerstoff in angereicherter Form ein. Überall, wo in den Körpergeweben Sauerstoff verstoffwechselt wird, geht 17O2 eine Verbindung mit Wasserstoff ein. Dadurch wird es im Magnetfeld des MRT nachweisbar. Gewebe, das viel Sauerstoff umsetzt, erscheint daher im Bild hell. Allerdings ist angereichertes 1702 noch sehr teuer, wobei Daniel Paech davon ausgeht, dass die Produktionskosten sinken könnten, wenn das Molekül in größerem Maßstab hergestellt werden würde. Auch sind klinische Studien nötig, um die mögliche Zulassung von 17O2 zu prüfen und den klinischen Nutzen des Verfahrens zu beweisen.

Die neue Methode wurde am 7-Tesla MRT des DKFZ als Kooperationsarbeit der Abteilungen Radiologie und Medizinische Physik in der Radiologie entwickelt und im Dezember 2019 mit dem Roland-Ernst-Preis für interdisziplinäre Forschung in der Radiologie ausgezeichnet. Die Forscher erwarten, dass die Sauerstoff-MRT in Zukunft auch bei anderen Erkrankungen, die mit Veränderung von Stoffwechselvorgängen einhergehen, etwa Alzheimer oder Multiple Sklerose, wertvolle Informationen liefern kann.

Die Forschungsergebnisse wurden in Radiology 2020 veröffentlicht.

Quelle: PI des DKFZ

Originalarbeit

Quantitative dynamic oxygen-17 MRI at 7-T for cerebral oxygen metabolism in glioma

(bd)
Zurück zur Startseite
Weitere Newsmeldungen
Zum Archiv

Quellen-URL (abgerufen am 24.04.2024 - 11:11): http://www.neuromedizin.de/Neurologie/Sauerstoff-ohne-Radioaktivitaet-zeigt-Gehirntumorzellen-im-M.htm
Copyright © 2014 | http://www.neuromedizin.de ist ein Dienst der MedienCompany GmbH. | Medizin-Medienverlag | Amselweg 2, 83229 Aschau i. Chiemgau | Geschäftsführer: Beate Döring | Amtsgericht Traunstein | HRB 19711 | USt-IdNr.: DE 223237239