Alzheimer: Mit tau-PET-Untersuchung können Forscher die Ausbreitung der Tau-Proteine im Gehirn individuell prognostizieren

Wissenschaftler am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung des LMU Klinikums (ISD), München ist es nun gelungen, bei Alzheimer-Patienten den individuellen Verlauf der Tau-Ausbreitung zu prognostizieren. Die ISD-Forscher hatten bereits kürzlich nachgewiesen, dass sich die Tau genannten Proteine im Verlauf der Erkrankung vornehmlich entlang miteinander vernetzter Hirnregionen ausbreiten und den Krankheitsverlauf entscheidend mitbestimmen bzw. verschlimmern. Jetzt haben die ISD-Forscher um Arbeitsgruppenleiter Prof. Michael Ewers und Erstautor Dr. Nicolai Franzmeier neue Ergebnisse einer Folgestudie veröffentlicht. Kernpunkt: Ihre Methodik lässt sich nutzen, um die Ausbreitung der Tau-Proteine im Gehirn individuell zu prognostizieren.

Beispiel

BU: Beispiel für Tau-Ausbreitungsmuster bei Alzheimer

Abb. © LMU Klinikum/Dr. Nicolai Franzmeier

Die Forscher haben in zwei unabhängigen Stichproben die Gehirne von jeweils 106 und 41 Patienten mit diagnostizierter Alzheimer-Krankheit mit einem ausgefeilten bildgebenden Verfahren untersucht: Die „tau-PET“ Untersuchung ermittelt die Verteilung der krankhaft veränderten Tau-Proteine im Gehirn von lebenden Patienten. Die erhobenen Bilddaten des Gehirns haben die Wissenschaftler mit einem Atlas verknüpft, der die Verbindungen einzelner Bereiche des Gehirns darstellt. Darauf basierend ermittelten sie die Hirnregionen, die zum Zeitpunkt des tau-PET am meisten Tau angehäuft hatten. „Das sind die Epizentren der Tau-Pathologie“, erklärt Franzmeier. Jene Hirnregionen, die am stärksten mit diesen Epizentren vernetzt sind, konnten die Forschenden als die Bereiche prognostizieren, in denen sich etwa ein bis zwei Jahre nach der ersten tau-PET Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls abnormes Tau anreichert.

Ausbreitungsmuster der Tau-Pathologie ist heterogen

Mit dieser Methodik, so das Ergebnis der Studie, lässt sich grundsätzlich vorhersagen, wie sich die Tau-Proteine im Gehirn ausbreiten werden. „Und das kann individuell sehr unterschiedlich sein“, betont Ewers. Diese Erkenntnis ist fundamental, denn sie erweitert die gängige Lehrmeinung. Basierend auf Gewebeuntersuchungen von Gehirnen verstorbener Alzheimer-Patienten gingen Experten bislang davon aus, dass sich der Erkrankungsprozess relativ stereotyp bei den meisten Patienten über die immer gleichen Hirnregionen weiterverbreitet. „Aber nach unseren Daten ist die Variabilität viel größer als angenommen“, sagt Franzmeier. Beispiel: Bei Patienten mit frühem Tau in der rechten Hirnhälfte hat sich Tau am ehesten entlang Verbindungen in der rechten Hirnhälfte ausgebreitet. Umgekehrt sieht es bei Leuten mit Tau in der linken Hirnhälfte aus. Was das für die Patienten klinisch bedeutet, welche Symptomatik sie also bei fortschreitender Erkrankung entwickeln, wollen die Forscher*innen demnächst erkunden. Franzmeier betont, dass das neue Modell „die bisherigen Vorhersage-Verfahren der Tau-Ausbreitung übertrifft, da es eine individualisierte und patienten-zentrierte Prognose vornimmt.“ Noch allerdings ist es nicht so präzise, dass Ärzte es kurzfristig im klinischen Alltag nutzen könnten.

„Dafür muss das Verfahren noch weiter validiert werden“, erklärt Ewers. Allerdings wäre eine Anwendung der Methode in der klinischen Medikamentenforschung sofort möglich. Hintergrund: Derzeit entwickeln Pharmafirmen Wirkstoffe, die die Ausbreitung des Tau-Proteins blockieren sollen. „Mit unserer Methode können wir gezielt vorhersagen, wo im Gehirn ein Medikament für die Beseitigung der Tau-Pathologie tatsächlich wirken sollte“, sagt Michael Ewers weiter. Damit ließe sich besser ermitteln, ob ein Wirkstoff wirkt oder nicht.

Originalpublikation: Patient-centered connectivity-based prediction of tau pathology spread in Alzheimer’s disease, Science Advances 2020

Quelle: Auszug aus LMU-Pressemitteilung, Auf dem Weg zur individuellen Alzheimer-Prognose, 30.11.2020 


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Quellen-URL (abgerufen am 19.04.2024 - 04:30): http://www.neuromedizin.de/Neurologie/Alzheimer--Mit-tau-PET-Untersuchung-koennen-Forscher-die-Aus.htm
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