Möglichen Ansatzpunkt für Medikamente gegen Schlafkrankheit gefunden

Die Schlafkrankheit gehört zu den bedeutendsten Tropenkrankheiten. Sie wird vom Parasiten Trypanosoma brucei ausgelöst und durch den Stich der im südlichen Afrika heimischen Tsetse-Fliege übertragen. Unbehandelt gilt die Krankheit als tödlich. Auf der Suche nach einem möglichen Ansatzpunkt für neue Medikamente gegen den Erreger konnte ein Forscherteam um Christian Betzel von der Universität Hamburg, Lars Redecke von der Universität Lübeck und von DESY sowie Henry Chapman von DESY die detaillierte räumliche Struktur eines lebenswichtigen Enzyms des Erregers Trypanosoma brucei entschlüsseln.

Enzym

BU: Struktur der IMP-Dehydrogenase des Parasiten: Das Enzyme bildet im aktiven Zustand Paare (Dimere), der Schalter des Enzyms (die Bateman-Region) ist in Blautönen dargestellt. Bild: Universität Lübeck/DESY, Lars Redecke

Für ihre Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler ein zentrales Enzym des Einzellers, die Inosin-5'-Monophosphat-Dehydrogenase (IMPDH). Mit Hilfe der sogenannten In-cellulo-Kristallisation, Insektenzellen werden dazu gebracht, Biomolküle in ihrem Innern zu kristallieren, konnte das Team Streubilder von mehr als 22.000 Mikrokristallen aufzeichnen und daraus die räumliche Struktur des Enzyms mit einer Genauigkeit von 0,28 millionstel Millimeter (Nanometer) genau berechnen – das entspricht in etwa dem Durchmesser eines Aluminium-Atoms. „Das Ergebnis zeigt nicht nur die genaue Struktur des Enzym-Schalters, der Bateman-Region, sondern auch, mit welchen Molekülen die Zelle das Enzym schaltet und wie diese sogenannten Ko-Faktoren an dem Enzymschalter andocken“, berichtet Karol Nass von DESY. „Der Vorteil unserer Methode ist nicht nur, dass wir das Enzym bei Raumtemperatur untersuchen können, also bei der Temperatur, für die das Enzym gemacht ist, sondern auch, dass bei der In-cellulo-Kristallisation die natürlichen Ko-Faktoren an das Enzym gebunden werden“, sagt Betzel.

Die neuen Daten könnten nun einen Ansatz für eine Blockade der Parasiten-Dehydrogenase liefern. „Es wäre beispielsweise denkbar, eine Art Spange zu konstruieren, die sich über die Andockstellen beider Ko-Faktoren legt.“, so Betzel weiter.

An der Untersuchung waren die Universitäten Hamburg, Lübeck und Tübingen, die russische Akademie der Wissenschaften, die Arizona State University, das Lawrence Livermore National Laboratory in den USA, das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, das US-Forschungszentrum SLAC, die Universität Göteborg und DESY beteiligt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift “Nature Communications” veröffentlicht.

Originalarbeit: In cellulo crystallization of Trypanosoma brucei IMP dehydrogenase enables the identification of genuine co-factors; Karol Nass, Lars Redecke et al.

Quelle: PI Deutsches Elektronen-Synchroton DESY, 30.01.2020

(bd)
Zurück zur Startseite
Weitere Newsmeldungen
    • anti-IgLON5-Erkrankung im Frühstadium gut behandeltbar
      Die anti-IgLON5-Erkrankung wurde erst 2014 erstmals beschrieben und tritt typischerweise im höheren Lebensalter auf. Unruhiger Schlaf, Bewegungs- Schluck- und Sprechstörungen sind typisch für die seltene Autoimmunerkrankung. Doch eine Menge unterschiedlicher weiterer Symptome macht die Diagnose der ...
      Mehr
    • Stoffwechselprodukt D-2HG fördert die Anpassung an die mitochondriale Dysfunktion
      Mitochondrien sind spezialisierte Bestandteile von Zellen, die in erster Linie für die Energieproduktion zuständig sind, aber auch eine Schlüsselrolle dabei spielen, wie Zellen auf Stress reagieren und sich anpassen. Wenn Mitochondrien nicht mehr funktionieren, insbesondere in Gewebe mit einem hohen...
      Mehr
    • Zuckerersatzstoff Stevia zur Bekämpfung von Bauchspeicheldrüsenkrebs wirksam
      Mit dem natürlichen Zuckerersatzstoff Stevia haben Forscher der Universität von Hiroshima eine neue Waffe gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs entdeckt. Vergoren mit bestimmten Bakterien aus Bananenblättern, zerstört das daraus entstehende Präparat Krebszellen, ohne gesunde Nierenzellen anzugreifen, wie e...
      Mehr
    • Warnsignal an Immunsystem: "Rote Flagge" von sterbenden Krebszellen
      90 Prozent aller Menschen, die an Krebs sterben, sterben an Metastasen. Zwei Nachwuchsgruppen der Ruhr-Universität Bochum haben einen Wirkstoffkomplex entwickelt, der Krebszellen auf eine so geschickte Art tötet, dass sie im Sterben eine rote Flagge hochhalten: Sie zeigen so dem Immunsystem, dass mi...
      Mehr
    • Autoimmuntherapie: Fraunhofer treibt selektive Nervenstimulation voran
      Gezielte Nervenstimulation statt Medikamente: Mit dem Kick-off des PREPARE-Projekts DUSTIN startete im Juni 2025 eine vielversprechende Forschungsallianz zur visionären Behandlung von Autoimmunerkrankungen ihre Arbeit. Vier Fraunhofer-Institute bündeln ihre Kompetenzen in der Entwicklung eines minia...
      Mehr
    • Zur Entscheidungsfindung nutzen Menschen im Gehirn kodierte Informationen
      Informationen, die den eigenen Überzeugungen widersprechen, werden von den Menschen oft ignoriert. Daraus resultiert eine Tendenz, die eigenen Urteile immer wieder zu bestätigen – dies wird auch als „Confirmation bias“ bezeichnet. Dabei sind sowohl die eine Entscheidung bestätigenden als auch die ih...
      Mehr
    • Neue Erkenntnisse zur Produktion von künstlichem Blut
      In Deutschland werden täglich etwa 15.000 Blutkonserven benötigt, die bislang in der Regel von freiwilligen Spender*innen stammen. Die Forschung zur künstlichen Herstellung von Blut in größeren Mengen läuft bereits seit Jahrzehnten, ist jedoch noch lang nicht am Ziel.
      Mehr
    • Wirksamkeit von RNA-basierten Medikamenten kann gesteigert werden
      Maßgeschneiderte Therapien gewinnen in der modernen Medizin zunehmend an Bedeutung. Ein vielversprechender Ansatz sind sogenannte Antisense-Oligonukleotide, kurz ASOs. Diese kleinen, künstlich hergestellten Moleküle greifen gezielt in den Zellstoffwechsel ein, indem sie die Bildung krankmachender Pr...
      Mehr
Zum Archiv

Quellen-URL (abgerufen am 09.08.2025 - 15:48): http://www.neuromedizin.de/Forschung/Moeglichen-Ansatzpunkt-fuer-Medikamente-gegen-Schlafkrankhei.htm
Copyright © 2014 | http://www.neuromedizin.de ist ein Dienst der MedienCompany GmbH. | Medizin-Medienverlag | Amselweg 2, 83229 Aschau i. Chiemgau | Geschäftsführer: Beate Döring | Amtsgericht Traunstein | HRB 19711 | USt-IdNr.: DE 223237239