Bei Entscheidungsunterstützung ärztlicher Tätigkeit durch KI ist ärztliche Erfahrung unbedingt erforderlich

Die Zentrale Ethikkommission (ZEKO) bei der Bundesärztekammer hat eine Stellungnahme zur „Entscheidungsunterstützung ärztlicher Tätigkeit durch Künstliche Intelligenz“ erarbeitet. Die Einsatzmöglichkeiten von Systemen mit Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin sind vielfältig. Dabei hat KI das Potential, die Patientenversorgung zu verbessern; sie weckt aber auch Ängste, dass sie sich etwa negativ auf die Arzt-Patient-Beziehung auswirken könnte. Im Fokus stehen sogenannte „Clinical Decision Support Systems“ (CDSS) – KI-basierte Datenverarbeitungssysteme, die Ärztinnen und Ärzte bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützen sollen. In der Stellungnahme werden unter anderem der aktuelle Entwicklungsstand von KI-basierten CDSS skizziert und Fragen aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Perspektive beleuchtet, die mit dem Einsatz solcher Systeme für die ärztliche Tätigkeit verbunden sind.

Ethische Herausforderungen bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI-basierten CDSS

„Die Stellungnahme soll dazu beitragen, für die ethischen Herausforderungen bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI-basierten CDSS zu sensibilisieren“, sagt der Vorsitzende der ZEKO, Prof. Dr. jur. Jochen Taupitz. Mit Künstlicher Intelligenz werden enorme Erwartungen für den medizinischen Fortschritt verbunden, insbesondere im Bereich der Diagnostik und der personalisierten Medizin, betont er. Da aber auch KI nicht frei von Fehlern sein werde, weist Taupitz darauf hin, wie wichtig es sei, dass sich Ärztinnen und Ärzte mit den Besonderheiten der KI-gestützten Entscheidungsassistenz befassen.

ZEKO begrüßt in ihrer Stellungnahme den Einsatz von CDSS

Die ZEKO begrüßt in ihrer Stellungnahme den Einsatz von CDSS – vorausgesetzt, diese tragen dazu bei, die Qualität und Effektivität der Patientenversorgung zu verbessern. CDSS sollen Ärzten und Patienten darin unterstützen, eine große Menge klinisch-diagnostischer Informationen für den gemeinsamen Entscheidungsprozess zur Verfügung zu stellen, die Individuums-bezogen und fallorientiert durch integrierte Software-Systeme ausgewählt werden. So detektieren CDSS beispielsweise in der radiologischen Bildgebung auffällige Areale und kommen in der Dermatologie bei der Beurteilung der Malignität von Hautläsionen zur Anwendung. „Bereits jetzt können CDSS durch den Einsatz moderner Methoden der Datenverarbeitung bei bestimmten Teilaufgaben Ergebnisse erzielen, die mit denen von Ärztinnen und Ärzten vergleichbar sind oder diese sogar übertreffen“, heißt es in der Stellungnahme.

CDSS können Fehler und Verzerrungen aufweisen

Ärztinnen und Ärzte sollten sich dennoch darüber bewusst sein, dass CDSS Fehler und Verzerrungen aufweisen könnten. Damit ist die Gefahr fehlerhafter Diagnose- und Therapieempfehlungen verbunden. „Beim Einsatz von KI liegt die Verantwortung und Rechenschaftspflicht für Diagnose, Indikationsstellung und Therapie nach wie vor beim Arzt beziehungsweise bei der Ärztin. Diese Verantwortung kann nicht an ein CDSS abgetreten werden“, hebt Taupitz hervor. Optimale Behandlungsergebnisse würden insbesondere erzielt, wenn CDSS und ärztliches Erfahrungswissen zusammenwirken. „Nur Ärztinnen und Ärzte vermögen das Krankheitsbild gesamtbiographisch zu verorten und auch psychische sowie emotionale Faktoren zu berücksichtigen, die sowohl für die Diagnose Gewicht haben als auch für eine angemessene Therapie ausschlaggebend sein können“, heißt es in der Stellungnahme der ZEKO.

Quelle: PI BÄK, 23.08.2021 | DOI: 10.3238/arztebl.zeko_sn_cdss_2021

(map)
Zurück zur Startseite
Weitere Newsmeldungen
    • Kongressbericht DGN 2020: Seltene Polyneuropathien rechtzeitig erkennen und früh behandeln
      Wie die seltene Erkrankung Hereditäre Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie (hATTR-PN) früh diagnostiziert und langfristig behandelt werden kann, war Gegenstand eines Symposiums „Seltene Polyneuropathien rechtzeitig erkennen und früh behandeln“ des Pharmaunternehmens Pfizer bei der Jahrestagu...
      Mehr
    • Buchtipp: Neues Handbuch Biosimilars 2019 erschienen
      Vor über zehn Jahren wurde das erste Biosimilar am deutschen Markt eingeführt. Inzwischen entlasten Biosimilars das Gesundheitssystem. „Sie nehmen in der Gesundheitsversorgung eine immer wichtigere Rolle bei der Behandlung von schweren Krankheiten wie Krebs, Autoimmun- und Stoffwechselerkrankungen ...
      Mehr
    • Neue Therapiespektren und Behandlungswege bei akuten Migräneanfällen
      Das Therapiespektrum hat sich für Patientinnen und Patienten mit Migräne in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. Neue Antikörper helfen, Migräneanfälle effektiv zu verhindern bzw. die Anfallshäufigkeit zu reduzieren. Kommt es aber dennoch zu einem schweren Anfall, standen bislang nur Triptane ...
      Mehr
    • Neurodegenerative diseases: Neue therapeutische Interventionen führten zu eindrucksvollen Effekten
      Neurodegenerative Erkrankungen sind zwar noch nicht heilbar – die molekulare und genetische Forschung hat aber in den letzten Jahren nicht nur etliche zugrundeliegende Genmutationen gefunden, sondern auch die komplexen Entstehungsmechanismen, also den Weg von der jeweiligen molekularen Fehlfunktion ...
      Mehr
    • Neuromyelitis optica - Besserer Behandlungsweg
      Erkrankungen des Neuromyelitis-optica-Spektrums (NMOSD „Neuromyelitis optica spectrum disorders“) sind seltene Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) [1, 2]. Dabei greifen Zellen des Immunsystems fälschlicherweise die eigenen Nervenzellen der Sehnerven und des Rückenmarkes an. Es ko...
      Mehr
    • Paradigmenwechsel: Multiple Sklerose - Heilung durch Stammzelltransplantation
      Multiple Sklerose ist die häufigste Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems mit ca. 230.000 Betroffenen in Deutschland. Bei der immunologisch vermittelten Erkrankung greifen Zellen des Immunsystems fälschlicherweise die körpereigenen Nervenzellen des Gehirns und des Rückenmarks an, wo es zu ...
      Mehr
Zum Archiv

Quellen-URL (abgerufen am 24.04.2024 - 05:52): http://www.neuromedizin.de/Experten-Statements/Bei-Entscheidungsunterstuetzung-aerztlicher-Taetigkeit-durch.htm
Copyright © 2014 | http://www.neuromedizin.de ist ein Dienst der MedienCompany GmbH. | Medizin-Medienverlag | Amselweg 2, 83229 Aschau i. Chiemgau | Geschäftsführer: Beate Döring | Amtsgericht Traunstein | HRB 19711 | USt-IdNr.: DE 223237239