Wissenschaftler können mit der in den 1990ern entwickelten funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) die Gehirnaktivität eines Probanden verfolgen, wenn dieser im MRT-Scanner eine Aufgabe ausführt oder auf Reize reagiert. Dieses Verfahren wurde bis heute in tausenden Studien eingesetzt, um den Platz der unterschiedlichsten behaviroalen Funktionen zu bestimmen. Bisher ist es aber schwierig, auf diese Weise die genauen Aufgaben und komplexe Zusammenarbeit der bekannten anatomischen Areale und Netzwerke zu verstehen, da die vielen Einzelergebnisse bis jetzt kein klares Bild ergeben.
Bildunterschrift: In mehr als 20 000 publizierten Studien mit fMRT und PET-Bildgebung wurden Millionen Hirnbilder und Aktivierungen bei unterschiedlichsten Bedingungen gesammelt. Copyright: Forschungszentrum Jülich
Jülicher und Düsseldorfer Hirnforscher schlagen nun einen neuen Ansatz vor, um die basalen „Kernfunktionen“ systematisch ans Licht zu bringen. Anstatt mit vordefinierten Verhaltensfunktionen zu beginnen und diesen Gehirnregionen zuzuordnen, würde zunächst eine anatomisch definierte Hirnregion ausgewählt. Auf Basis eines weitreichenden statistischen Screenings nach möglichen behavioralen Verbindungen, würde dann ein „behaviorales Profil“. gewonnen. Möglich wird ein solcher „bottom up“-Ansatz durch seit kurzem etablierte Datenbanken für neurowissenschaftliche Bildgebungsstudien, in denen die gewonnenen Daten aus tausenden Studien verfügbar gemacht werden und weiter analysiert werden können. Metaanalysen dieses Datenreichtums, argumentieren die Autoren, könnten „Kernfunktionen“ der Areale enthüllen, die in den einzelnen Studien nicht sichtbar geworden sind. „Diese basalen operationalen Funktionen wären so etwas wie der fehlende Schlüssel zwischen den Beschreibungen und Konzepten, mit denen die Psychologie und andere Forschungsfelder menschliches Verhalten beschrieben haben, und den Ergebnissen von Neurowissenschaftlern, die das Gehirn nach seinen anatomischen Eigenschaften kartieren.“, sagt Sarah Genon, die Erstautorin des Artikels, die am Forschungszentrum Jülich und dem Uniklinikum Düsseldorf forscht. Im europäischen Human Brain Project leitet sie das Teilprojekt „Multimodaler Vergleich von Gehirnkarten“.
Im Human Brain Project wird das gesammelte Wissen der Hirnforschung systematisiert, um es in das bisher umfassendste Modell des Gehirns zu integrieren. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Trends in Cognitive Science“ beschreiben die Forscher ihren neuen Ansatz, die Kernfunktionen von Hirnarealen zu verstehen.
Quelle: PI des Forschungszentrums Jülich
Originalpublikation: Sarah Genon, Andrew Reid, Robert Langner, Katrin Amunts and Simon B. Eickhoff: How to characterize the function of a brain region. Trends in Cognitive Science, 01.03.2018 https://doi.org/10.1016/j.tics.2018.01.010
Ein Interview mit Dr. Sarah Genon über den neuen Ansatz zur Untersuchung der Funktionen von Hirnregionen finden Sie hier