DGCH-Empfehlungen zur Innovationsprüfung und klinischen Bewertung von neuen Medizinprodukten- Sicherheit und Nutzen sicherstellen

Um die Patientensicherheit bei der Verwendung und Zulassung von Medizinprodukten zu erhöhen, entwickelte die Europäische Union nach dem Brustimplantateskandal im Jahr 2012 die Medical Device Directive zu einer Medical Device Regulation weiter, die im ersten Quartal 2016 verabschiedet werden soll. Im Rahmen ihrer Jahrespressekonferenz Anfang Dezember 2015 stellte die DGCH methodische Ansätze vor, die Sicherheit und Nutzen von Medizinprodukten künftig in einer nationalen Richtlinie gewährleisten könnten. „Wir haben uns dabei sehr exakt mit den Problempunkten auseinandergesetzt und zum Wohle des Patienten und im Sinne des Fortschritts ein System entwickelt, das notwendige Vorgaben macht und zugleich Innovationen ermöglicht“, sagt Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Generalsekretär der Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH).

Sicher und nutzbringend für das Wohl des Patienten

Neue Medizinprodukte müssen sicher und nutzbringend für das Wohl des Patienten sein, betont die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). Eine Medizinprodukteverordnung sollte beides sicherstellen und gleichzeitig notwendige Rahmenbedingungen für Innovationen bieten. Im Jahr 2016 soll eine entsprechende EU-Regulation in nationales Recht umgesetzt werden. Gemeinsam mit der Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE (DGBMT) legt die DGCH dafür jetzt eine Empfehlung zur Innovationsprüfung und klinischen Bewertung von Medizinprodukten vor. Für ein Höchstmaß an Sicherheit und Nutzen für Patienten empfehlen die Fachgesellschaften in einer Stellungnahme eine gestufte Prüfung von risikoreichen Medizinprodukten der Klasse IIb und III in Form eines mehrstufigen Verfahrens. DGCH und DGBMT fordern, dass ihre Expertise in die neue nationale Richtlinie einfließt.

Gestufte Prüfung von risikoreichen Medizinprodukten

Das vorgeschlagene Verfahren umfasst folgende Stufen: Zunächst prüfen Forscher im Labor auch unter Einsatz von Tiermodellen, ob das Medizinprodukt sicher ist und seinen angestrebten Nutzen tatsächlich erreicht. „Große Studiengruppen und lange Laufzeiten ermöglichen eine fundierte präklinische Evaluation, was die Sicherheit der ersten klinischen Studien mit einzelnen selektierten Probanden deutlich erhöht“, sagt Professor Dr. med. Ernst Klar aus Rostock, der die DGCH-Stellungnahme maßgeblich mit erarbeitet hat. Bei den sogenannten first-in-man-Studien weisen die Forscher Machbarkeit und Sicherheit der Innovation nach und dokumentieren dies in enger Zusammenarbeit mit einer Ethikkommission.

Patientensicherheit und Nutzen der Anwendung

In der nächsten Stufe vergleichen die Tester das neue Medizinprodukt mit bereits vorhandenen Standards. Dafür empfehlen die DGCH und die DGBMT randomisierte, also zufallsverteilte klinische Studien mit Kontrollgruppen (RCT). „Die RCTs sind zwar der Goldstandard, jedoch bei sogenannten Schrittinnovationen nicht immer möglich und auch bei Sprunginnovationen schwierig“, erläutert Professor Klar. Kunstgelenke etwa müssen die Forscher im Langzeitverlauf bewerten. Dies kann nur auf der Basis von Registerstudien erfolgen. Die „mitwachsende Herzklappe“ ist mit nichts bisher Dagewesenem vergleichbar und kann sich nur bewähren, indem jeder einzelne Eingriff und die damit einhergehenden Erfahrungen und Ergebnisse in einem Register erfasst wird. In ständiger Rückkopplung mit der Lernkurve werden in dieser Phase die Probanden-Gruppen und auch die Indikationen erweitert. Schließlich stehen im abschließenden Schritt die Langzeitergebnisse der innovativen Produkte auf dem Prüfstand: Patientensicherheit und Nutzen der Anwendung werden im Alltag geprüft, unter Bewertung des Einflusses der Umgebung, sogenannter Kontextfaktoren. Das Verfahren erlaube eine stetige Verbesserung von Medizinprodukten mit dem Fokus auf Qualitätssicherung und Patientensicherheit, sagt Professor Meyer: „Diese sehr differenzierten Empfehlungen sollten in die nationale Richtlinie Eingang finden, die jetzt auf Basis der EU-Regulation von der Politik erarbeitet werden muss“. Dabei müssten Informationen und Entscheidungen öffentlich und transparent sein. Mit Hilfe dieses Bewertungsverfahrens können alle Akteure im Gesundheitssystem die medizinische Wirksamkeit technischer Innovationen besser beurteilen. Gleichzeitig unterstützt es Forschung und Entwicklung in der Medizintechnik.

Quelle: DGCH-Presseinformation vom 16.12.2015

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