Epilepsie: Endlich Schluss mit Krampfanfällen?Neue OP-Methode aus der Schweiz kann chronisch-kranken Epilepsiepatienten helfen

Etwa ein Drittel aller Patienten mit Epilepsie leiden trotz Medikamenten unter regelmäßigen Anfällen. Einem Teil der Betroffenen könnte ein operativer Eingriff helfen, bei dem die Anfallsursache im Gehirn entfernt wird. Damit gesunde Gehirnareale bei dem Eingriff unbeschädigt bleiben, wenden Neurophysiologen aus der Schweiz vor der OP ein neues, extrem präzises bildgebendes Verfahren an. Mit großem Erfolg, wie Studien zeigen: Fast 80 Prozent der operierten Patienten sind nach dem Eingriff komplett anfallsfrei und leiden unter keinerlei Beeinträchtigungen. Dennoch lassen viel zu wenig Betroffene einen solchen Eingriff durchführen, betont die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN).

Nicht immer können Medikamente Epilepsie-Anfälle verhindern. Die Betroffenen leiden folglich an immer wiederkehrenden Anfällen. Bei zwei von drei Patienten beschränkt sich die Ursache im Gehirn auf ein einziges Areal. „In diesem Fall sollte der behandelnde Arzt den Patienten in ein Epilepsiezentrum überweisen, um die Anfalls-Quelle chirurgisch entfernen zu lassen“, empfiehlt Professor Dr. med. Margitta Seeck, Neurologin am Universitätsspital Genf. „Entscheidend dabei ist, das Epilepsie hervorrufende Gewebe zu entfernen, ohne angrenzende lebenswichtige Areale zu beschädigen, die etwa für Handbewegungen oder die Sprache zuständig sind“, erklärt die Expertin im Vorfeld der 59. DGKN-Jahrestagung 2015.

Schweizer Neurologen haben dafür eine neue Methode entwickelt, die sogenannte high density electric source imaging (HD-ESI). Sie verbessert den Erfolg der Operation deutlich, indem sie die Anfalls-Quelle im Gehirn millimetergenau lokalisiert. „Wir kombinieren dabei zwei hochauflösende bildgebende Verfahren, die Elektroenzephalografie (EEG) und die Magnetresonanztomografie (MRT)“, erklärt Seeck.

Die Forscher platzieren zu diesem Zweck insgesamt 256 Elektroden auf dem Kopf der Patienten – zehn Mal mehr als beim normalen EEG. Das MRT liefert zusätzlich ein dreidimensionales Bild des Gehirns aus extrem dünn gescannten Schichten. Mithilfe eines komplexen Algorithmus werden die beiden Bilder kombiniert und die Anfalls-Quelle so präzise lokalisiert. „Das ganze Verfahren dauert bis zu drei Stunden“, so Seeck.

In einer Studie hat das Team um Professor Seeck bei 152 Patienten mit chronischer Epilepsie die Anfalls-Quelle mittels HD-ESI vor der Operation geortet. Ergebnis: Fast 80 Prozent der Probanden sind bis heute, zwei Jahre nach der OP, komplett anfallsfrei, 10 Prozent litten nur noch selten unter Anfällen. „Die Erfolgsquote unserer Methode ist damit höher als bei jeder anderen Hirnbildgebung“, so Seeck. In einer aktuellen Studie konnten die Schweizer Forscher die Methode jetzt noch weiter verfeinern und die Ergebnisse bestätigen. Erfolgt die OP ohne zusätzliche bildgebende Verfahren – außer dem normalen MRT – sei die Erfolgsquote 10 bis 20 Prozent geringer, so Seeck.

„Trotz der enormen Fortschritte werden weit weniger als die Hälfte der Epilepsie-Patienten in Epilepsiezentren überwiesen oder gar über Chirurgie als eine sehr erfolgreiche Therapie-Alternative informiert“, kritisiert Seeck. Einige Experten schätzen sogar, dass nur etwa jeder zehnte Epilepsie-Patient operiert wird, der nicht ausreichend auf Medikamente anspricht.

Epileptische Anfälle sollten unbedingt verhindert werden, rät auch der Präsident der DGKN-Jahrestagung, Professor Dr. med. Holger Lerche. „Während der Anfälle besteht nicht nur die Gefahr von Verletzungen“, erklärt der Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Tübingen. Anfälle erhöhen bei medikamentenresistenten Patienten auch das Sterberisiko um das 3- bis 20-fache. „Zudem sind die Betroffenen sozial erheblich eingeschränkt“, erläutert Lerche. Sie müssen u. a. auf das Autofahren verzichten und sind in ihrer Berufs- und Sportauswahl häufig eingeschränkt. Die aktuellen Ergebnisse der Studie stellen die Experten auf der DGKN-Jahrestagung in Tübingen am 19. März 2015 der Öffentlichkeit vor.

Quelle: (DGKN)

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